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Unterwegs mit SOS Balkanroute
© Susanne Niemeck

Während andere Herbstferien genießen, war Susanne Niemeck, die Altsimmeringer Caritasverantwortliche, mit Roswitha Feige vom Pfarrnetzwerk Asyl und Joschka Köck vom Theater der Unterdrückten Wien, gemeinsam mit SOS Balkanroute vom 28. Oktober bis 3. November 2024 in Bosnien unterwegs. Hier berichten sie in einem Tagebuch von dieser Fact - Finding - Mission.

Anreise am Montag, den 28.10.24:

Nach langer Fahrt treffen wir bei Dunkelheit in Bihać ein. Unsere Gruppe besteht aus Roswitha Feige vom Pfarrnetzwerk Asyl, Pero Rosandic von SOS Balkanroute, Susanne Niemeck von der Pfarre Altsimmering und Joschka Köck vom Theater der Unterdrückten Wien.

Wir beziehen unser Quartier und treffen die Ehrenamtlichen Steffi (Krankenschwester aus Österreich, die schon einige Male bei SOS Balkanroute in Bihać mitgearbeitet hat) und Asim (lokaler Mitarbeiter und die “gute Seele” vor Ort) zum gemeinsamen Abendessen.

[In Wien gibt es indessen Probleme mit dem Lkw mit den von SOS Balkanroute gesammelten Sachspenden, den wir hier in Bihać eigentlich morgen ausladen wollten. Er wird sich verspäten.

Tag 1 in Bihac (Dienstag, 29.10.24):
© Susanne Niemeck

Unser Tag beginnt mit einem Einkauf aus Pfarrnetzwerk-Spenden und wir füllen drei Wägen für “Baba” Asim.

Beim Roten Kreuz in Bihać besichtigen wir die von SOS Balkanroute aufgebaute Gemeinschaftsküche, die mittlerweile von der Diakonie betrieben wird und für sozial benachteiligte Familien aus Bihać kocht. Geflüchtete können unter anderem vom Familienlager für Geflüchtete Borići (welches ausschließlich Familien und unbegleitete Minderjährige beherbergt) hierherkommen und gemeinsam mit den Ehrenamtlichen vom Roten Kreuz kochen. Heute ist eine Familie aus der Mongolei da.

Wir befüllen Asims Lager mit den Einkäufen und beladen das Auto wieder mit Sachen, die die Leute draußen in der Kälte benötigen.

Dort am Busbahnhof begegnen wir Menschen u.a. aus Afghanistan, Marokko und Kurd:innen aus der Türkei, die von dort direkt zur Grenze aufbrechen.

Auf der neu asphaltierten Straße - bis vor kurzem jedoch noch ein von Schlaglöchern und Schlamm übersäter Weg - zum Flüchtlingslager Lipa treffen wir Mohammed aus Algerien, der gestern zurückgepusht wurde. Seine Habseligkeiten hat er nicht mehr.

Gestern noch verzweifelt strahlt er heute unglaubliche Hoffnung aus und gibt ein emotionales Interview.

Auch hier verteilen wir Lebensmittel, Handys, Rucksäcke, Jacken und Schlafsäcke an ihn und seine Freunde.

Die Straße nach Lipa ist lang und führt ins Hinterland.

Wir stehen auf dem Parkplatz des Lagers Lipa und schauen hinunter, Schilder warnen uns davor, Fotos zu machen.

Es ist hier spürbar einige Grad kälter, trotzdem sehen wir einige Menschen in kurzer, dünner Kleidung hinter dem Zaun.

Auf dem Weg zum Friedhof Bihać wärmen wir uns an einer Tasse Kaffee auf.

[Indessen wird die Fracht des Lkw umgeladen. Immer noch konnte er Wien nicht verlassen.]

Wir besuchen den neuen Teil des städtischen Friedhofs, auf dem die Menschen begraben sind, die hier an der EU-Außengrenze ihr Leben verloren haben. Am 16. November 2024 wird er eingeweiht, auch dieses Projekt unterstützt das Pfarrnetzwerk.

Baba Asim kümmert sich darum, dass die Menschen, teilweise Bekannte, die beim Versuch nach Europa zu kommen, sterben, eine würdige Bestattung bekommen.

Während über uns eine neugierige Drohne hinweg fliegt, blicken wir auf die gefährlichen Berge in der Ferne, über denen die Sonne langsam untergeht.

Mittwoch, 30.10.2024 - 2. Tag in Bihac

Erster Punkt des Tages: Lebensmittelsackerl packen und Auto beladen zum Verteilen.

Wir treffen uns zum Kaffee mit Asims Tochter Tanja, die als Juristin mithilft,

internationale NGOs in Bosnien zu betreuen.

Dann Verteilungs-Tour an 2-3 verschiedenen Plätzen.

Am Busbahnhof treffen wir Kurden und Leute aus Irak und Afghanistan, einer ist seit 4 Jahren unterwegs. Einige Männer über 60 sind dabei.

Sie berichten zb von den Taliban in ihrem Land und von der sie attackierenden Polizei in Serbien und Kroatien.

Anm.: Bei jeder Gruppe, die wir treffen, ist immer einer dabei, der Englisch spricht und übersetzen kann.

Besuch am Wasserturm, der den Sommer über Geflüchteten als Unterschlupf diente.

Es ist niemand da.

Der Wasserturm steht inmitten eines wild bewachsenen, verlassenen Bahngeländes, ein Trampelpfad führt zur Tür.

Hier wurde aufgeräumt, ein paar dünne Matratzen sind auf einer Seite gestapelt, auf der anderen Seite steht ein kleiner Ofen, ein paar Gläser obendrauf.

Scheiben fehlen, der Wind ist spürbar.

An der Wand hängt ein Zettel mit Kontaktdaten einiger Schlepper.

Auch haben sich einige Leute hier verewigt: “Ahmad 9.9.2024” steht da, umrandet in grün. Es wirkt hoffnungsfroh inmitten all der Trostlosigkeit.

[Indessen konnte der Lkw endlich Wien verlassen. Wir erwarten ihn in Bihaĉ sehnlich, weil wir noch beim Ausladen helfen wollen, bevor es für uns morgen weitergeht nach Sarajevo.]

Beim Jesuit Refugee Service (JRS) treffen wir auf 4 unbegleitete Minderjährige aus Ägypten, dem Iran und Afghanistan - sie sind 16 und 17 Jahre alt.

Der JRS ist eine der humanitären Organisationen, die das Lager Lipa betreten dürfen.

Baba Asim wird angerufen.

Wir übergeben ein Handy kurz vor dem Lager Lipa. Die beiden Männer aus Marokko tragen Flipflops!

Sie bekommen von uns Schuhe, Trinkflaschen, Lebensmittel und einen Rucksack.

Immer noch gibt es Minen im Wald rund um das Lager Lipa.

Jetzt ist es 14 Uhr, wir haben uns ein Mittagessen verdient.

Um 16 Uhr gibt Baba Asim ein Interview am Friedhof Bihać, wir haben Pause.

Abends Abendessen mit Zemira.

Zemira ist Aktivistin der ersten Stunde für geflüchtete Menschen in Bosnien,

und Betreiberin vieler internationaler Projekte.

Sie und Joschka vom Theater der Unterdrückten Wien diskutieren mit Herzblut unsere Verantwortung für kommende Generationen und was uns im Aktivismus Kraft gibt.

Freitag, 1.11.24 – 1. Tag in Sarajevo

Der zweite kleinere Lkw mit den gesammelten Sachspenden von SOS Balkanroute ist heute sehr früh in Sarajevo angekommen.

Wir melden uns nach dem Frühstück bei Azra, um zu erfahren, wann wir zum Ausladen da sein sollen, doch Azra und ihre Freundin Sanela haben das längst erledigt.

Wir bekommen Kaffee bei Azra, die aus ihrem Haus Hilfsgüter an Refugees verteilt. Wir sitzen mit ihrer Freundin Sanela und Aziz, einem Marokkaner, der zum Helfen gekommen ist, im Wohnzimmer und unterhalten uns.

Azra geht zwischendurch immer wieder hinaus, wenn Leute vor ihrem Haus auftauchen, die teilweise 2- 3 Stunden vom Flüchtlingslager zu ihr unterwegs sind.

Azra hilft unter anderem auch bosnischen Waisen und finanziell schwachen Personen wie zb Student:innen mit Stipendien.

Am Nachmittag treffen wir am Busbahnhof Nihad aus Tuzla an der serbisch-bosnischen Grenze mit einer Gruppe syrischer und iranischer Refugees, denen er einen Platz im Safe House in Tuzla verschafft hat.

Einer der syrischen Männer zeigt uns ein Video seiner Heimatstadt, die gerade bombardiert wird. “Da, schau, das war unser Haus”, sagt er traurig auf Englisch. Jetzt ist es weg.

Nihad hat ein Buch. Er bittet Refugees, jeweils in ihrer eigenen Sprache ihre Träume aufzuschreiben. Beinahe alle wünschen sich ein besseres Leben.

Ein 2. Teil des Buches erzählt von den Toten am Weg und ein 3. von denen, die ihr Ziel erreicht haben.

Wir verbringen ein paar schöne gemeinsame Stunden, bei denen Nihad von ein paar seiner kreativen Methoden, Refugees zu unterstützen, erzählt. Wir treffen auch die beiden alten kurdischen Männer aus Bihać wieder.

Leider ist es kalt. Die Hälfte der jungen Männer und Nihad selbst haben nur Pullover an. Nihad hat seine Jacke hergeborgt. Wir bestellen alle Chai.

Dann fährt der Bus nach Tuzla ab.

Wir verabschieden uns und gehen Abendessen.

Sarajevo Tag 2 - 5. und letzter Tag in Bosnien (Samstag, 2.11.24)
© Susanne Niemeck

Wir wollen heute Sanela im bosnischen Integrationszentrum (> Link zum Integrationszentrum   Intergreat Center – Intergreat Center Website) besuchen.

Leider hat sie einen Einsatz und muss uns absagen.

Stattdessen besuchen wir den “Tunnel of Hope”.

Während des Krieges war die Stadt von der Versorgung abgeschnitten und die Leute aus Sarajevo bauten einen Tunnel, um auf diese Weise Lebensmittel in die Stadt und Menschen aus der Stadt bringen zu können.

Heute befindet sich an dieser Stelle ein beeindruckendes Museum.

Es ist die bosnische Erzählung über den Krieg.
Wir gehen in den serbisch-orthodoxen Stadtteil Ostsarajewo, wo ein neues Denkmal für Gavrilo Princip steht, dem serbisch-nationalistischen Mörder von Franz Ferdinand.

Es ist bewegend, danach noch einmal zu Azra zu fahren, die selbst als Soldatin oft durch den Tunnel gehen musste.

Am Nachmittag besuchen wir noch ein gemütliches Restaurant und lassen dann den Tag bei Kaffee und Heißer Schokolade ausklingen.

Morgen, am 3.11.24, brechen wir in der Früh auf Richtung Wien.

Abreise am Sonntag, 3.11.24:

Abfahrt Hotel Saraj um 7:37, wir haben 746km vor uns.

(sm)






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Stephan, Stephanie

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