Beim Blick in die Altsimmeringer Pfarrkirche St. Laurenz bleiben seit Aschermittwoch 2018 die Augen beim großen Fastentuch im Altarraum hängen. Zu ungewohnt ist der Anblick und zu sehr zieht die Farbenpracht des neuen Gemäldes den Schauenden in den Bann. "Gott hat sich sehr klein gemacht. Ich habe Jesus nicht so groß wie nur möglich gemalt, sondern viel kleiner", sagt Karl Schnell, der Urheber des neuen Fastentuches. Grundintention des Künstlers war es, jedem Menschen die Begegnung mit dem eigenen Christusbild zu ermöglichen: "Die Darstellung Christi mit weißer Farbe, deshalb weil jeder Mensch ein anderes Jesusbild hat. Wie sieht Jesus für mich aus? Durch die Farbe Weiß kann sich jeder sein Bild hineinprojizieren", betont Karl Schnell.
Durch die Arbeit am Bild hat auch der Künstler seinen eigenen Glauben hinterfragt, wie er schildert: "Ich denke bei der Arbeit am Fastentuch ist für mich mein Glaube wieder ein Stück klarer geworden und fester. Bei der Arbeit am Tuch entsteht zwischen mir und der Arbeit ein Dialog und da werden Lösungen gebraucht und die kann ich nicht bei Seite schieben, sondern muss sie beantworten und eben lösen." Auch neue Fragen seien in ihm aufgetaucht, auf die es noch keine Antworten gibt, sondern nur die Bereitschaft sich diesen Fragen neu zu stellen.
Die Arbeit an dem Tuch dauerte mehrere Wochen, und dabei sei auch das eigene Christusbild immer wieder deutlich geworden. "Mein Christusbild ist 'genauer' geworden, denn wenn ich auf den Fastentuch nur Anhaltspunkte über das Aussehen gegeben habe, so brauchte ich natürlich mein Christusbild um malen zu können", schildert er. Und er beschreibt es weiter: "Mein Christusbild ist sehr bunt – alle Haut-Farben dieser Welt und alle Farben dieser Welt. Er ist Mann-Frau, beides gleichzeitig, kontrovers und doch eins. Ihn zu malen ist noch eine Aufgabe und sicher sehr mit Konfrontationen verbunden, in mir und mit meinen Nächsten", lässt der Künstler ein wenig in sein Inneres blicken.
Am Aschermittwoch war der Tag des „Fastentuchaufhängens“. "Die Spannung in mir ist nun vorbei – ich habe ja das Bild auch zum ersten Mal hängen gesehen. Es ist genau so, wie ich mir das vorgestellt habe und ich bin sehr glücklich", zeigt sich Karl Schnell zufrieden mit dem Ergebnis seiner wochenlangen Arbeit. "'Der Mensch mit seinen Gefühlen und seiner Vielfalt' das war seit zwei Jahren die Frage in mir. Wie erlebe und sehe ich das, wenn Gott Mensch wird? Das trage ich in mir herum und da arbeitet mein Kopf/Hirn ständig an dieser Frage und ich werde sensibler", beschreibt Karl Schnell seine Beweggründe, für das Fastentuch.
Auffällig ist, dass auf diesem Fastentuch kein Lendenschurz zu sehen ist. "Ich habe aber auch kein Geschlechtsteil gemalt. Jesus ist als Mensch zu uns gekommen, das beinhaltet Mann und Frau! Es ist dadurch möglich sich nun auch die weibliche Seite des Körpers Jesu vorzustellen. Es auch in der heutigen Zeit noch immer ein Problem über Körperlichkeit frei zu sprechen", so Schnell in seinem Kommentar zum Bild.
Das Bild ist in kräftigen Farben gehalten, ausgehend vom Zentrum, dem Korpus Jesu, von dem ein Leuchten ausgeht, das sich bis zum Rand des Tuches hin in die Dunkelheit verliert, aber von dort auch sichtbar ist. Gegen den Rand zu werden immer mehr Kreuze zu sehen. Das macht das Thema des Fastentuches deutlich: "Wer mir nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach."
Eine Entstehungsgeschichte des Fastetuches kann nur der Künstler Karl Schnell selber erzählen, aber mit Bilder kann auch hier ein Einblick in die Arbeit gegeben werden.