"Heute geht es um die Leute, die in den ersten Reihen im Gottesdienst sitzen und um die, die in den letzten Reihen sitzen", begann der Altsimmeringer Pfarrer seine Predigt am Sonntag, 27. Oktober 2019 und gewann damit die Aufmerksamkeit der ZuhörerInnen. Ausgangspunkt war das Evangelium, an diesem Sonntag jenes vom Gebet des Pharisäers und des Zöllners. "Nun, was sagt uns das heutige Evangelium? Gleich vorweg, ich freue mich über alle, die heute im da sind, egal in welcher Reihe sie sitzen. Eine Frage stellt sich für mich: Dürfen wir Christen stolz sein?", stellte Christian Maresch die Frage zum Nachdenken an die Gottesdienstgemeinde. Stolz sei ja viele Jahre lang als Sünde gewertet worden. Und die Konsequenz daraus wäre, dass Christen demütig sein und die letzten Plätze einnehmen sollen. "Manchmal hab ich den Eindruck, Menschen, die den Gottesdienst besuchen, bevorzugen wirklich die hinteren Reihen. Und wenn man das Evangelium hört, wird man in dieser Haltung bestärkt. So ein zurückhaltender Zöllner ist ja auch wirklich ein Vorbild, denn der steht ganz hinten im Tempel und schlägt sich demütig auf die Brust", betont Pfarrer Maresch.
Aber gerade hier stelle sich die kritische Frage, was denn in diesem Evangelium Jesus dermaßen auf die Palme bringe. Denn, das erklärt Maresch, die Handlungen des frommen Pharisäers seien ja nicht schlecht, zweimal die Woche fasten, 10% seines Einkommen dem Tempel geben - "Kirchenbeitrag ist nur 1%, also müssen wir sehr zufrieden sein", und der Pharisäer bete im Stillen und versuche ein Leben ganz nach dem Glauben zu leben. "Er prahlt nicht, betrügt nicht, ja er tut viel Gutes und Richtiges. Und das stellt uns Christen vor die Frage, dürfen wir darauf auch stolz sein? Wenn uns etwas gut gelingt, dann darf man das auch als Christ ohne weiteres sagen. In der Pfarre kann es sein, dass man schief angeschaut wird, wenn man stolz auf das ist, was man erreicht hat, aber das ist oft eine übertriebene Bescheidenheit", so Pfarrer Maresch. Und er betont, dass Christsein nicht bedeuten könne grundsätzlich mit hängenden Kopf demütig, schuldbewusst durch das Leben zu gehen: "Was gut ist, muss auch von uns selbst wert geschätzt werden. Und so gesehen ist das Verhalten des Pharisäers voll akzeptabel. Aber warum ist Jesus dann so zornig auf diesen Mann?", greift Maresch die Frage wieder auf, wenn ja alles in Ordnung sei.
"Es ist ein einziger Satz im Gebet des Pharisäers der eigentlich alles zunichtemacht. Dieser Satz zeigt seine innere Einstellung und löst die scharfe Kritik Jesu aus: 'Ich danke dir Gott, dass ich nicht so bin wie dieser Zöllner dort'. Diese gegenseitige Abwertung unter den Menschen zerstört ein friedliches Miteinander und das ist es, was Jesus so zornig macht", so Pfarrer Maresch, das habe auch nichts mehr mit Stolz zu tun.
Abwertung passiere tagtäglich im Leben, wenn Jugendliche Erwachsene abwerten und umgekehrt, wenn Eltern ihre Kinder ständig mit anderen vergleichen und sie bewerten "oder in der Politik, denken wir an den vergangenen Wahlkampf, wo gegenseitige Abwertung und Schlechtmachen an der Tagesordnung standen. Die besten Christen sind davor nicht geschützt", so der Altsimmeringer Pfarrer. Oft werde ein gutes Miteinander durch abwertendes Gegeneinander verhindert, so zieht Christian Maresch das Fazit aus der Evangelienperikope: "Ein Christ wird im Umgang mit Menschen immer darauf bedacht sein, sie nicht auf ihre Schwächen zu reduzieren, sondern ihre Stärken hervorheben. Christen dürfen Karriere machen und erfolgreich sein, Christen dürfen in der Kirche in der ersten Reihe sitzen, wenn sie es wollen. Und Christen dürfen auch stolz sein auf das Gute, das sie in ihrem Leben machen. Aber als Christen dürfen wir uns nie selbstgerecht über andere stellen oder sogar über sie richten. Darum geht es eigentlich, wenn wir von christlicher Demut sprechen", betonte der Pfarrer von Altsimmering.