Beim traditionellen Glaubensabend, der alle zwei Monate in Altsimmering stattfindet, kommen Menschen über den eigenen Glauben ins Gespräch. Wegen ihrer Krebserkrankung musste der geplante Gesprächsabend mit Renate Angerer um ein Jahr auf Donnerstag, 9. Jänner 2025, verschoben werden.
"Wenn ich über den Glauben in Simmering nachdenke, dann fallen mir immer wieder die 10 Gebote der Bibel ein und ich denke, wir hätten doch eine gute Regelung damit, aber leider scheint das in Vergessenheit zu geraten", so die ehemalige Bezirksvorsteherin in Simmering. Und sie fügt in ihren Erzählungen hinzu: "Für mich ist Glaube nur dann richtig und wichtig, wenn er auch ins Leben übersetzt wird, denn ohne gelebt zu sein, ist der Glaube sinnlos." Kirche sei für sie wichtig und richtig und wesentlich sei auch die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Religionen.
"Wir haben miteinander das Gespräch der Religionen in Simmering begonnen, das jetzt als Sozialgespräch auf Initiative von Diakon Franz Schramml weitergeführt wird", ergänzte Pfarrer Christian Maresch.
"Gesellschaftlich und politisch gesehen ist es doch wichtig, Meinungen zuzulassen. Denn wenn sich schon in kleinen Familien die Menschen streiten, wie soll das in einem Land mit acht Millionen Menschen besser sein?", fragt sie ihren Gesprächspartner, Pfarrer Christian Maresch. Der Altsimmeringer Pfarrer und Dechant stimmt zu, erinnert dabei daran, dass sich auch gesellschaftlich vieles in Simmering verändert habe, und berichtet über die Herausforderungen aber auch gute Zusammenarbeit mit vielen Religionsgemeinschaften in Simmering.
Renate Angerer sei sehr stolz darauf, "dass ich meinen Kindern das weitergeben konnte, was ich von meiner Mama und Oma mitbekommen habe", betonte sie und unterstrich es mit einer berührenden Erzählung von Besuch der Andacht am Weihnachtsabend in Altsimmering und dem anschließenden Besuch am Friedhof, "da fragte meine Enkelin plötzlich: 'Oma, wollen wir ein Vater unser beten?' Ich war gerührt und wusste, dass ich vieles richtig gemacht hatte."
Ihre Krankheit des Gebärmutterhalskrebses habe ihren Glauben weder erschüttert oder verstärkt. "Nein, vielleicht habe ich öfter gesagt: 'Gottesmutter hilf mir!'" Aber, so erzählte sie, bei der Strahlentherapie habe sie immer alle Wiener Bezirke aufgezählt, ein "Vater unser" und ein "Gegrüßet seist du Maria" gebetet, da wusste sie, so lange dauert die tägliche Therapie. Kraft geschöpft habe sie bei einer ihre Freundinnen, die selbst seit 30 Jahren Krebs hat "und trotzdem voller Lebensmut und -freude ist. Das gibt Kraft und stärkt. Und auch das Vertrauen im Glauben", fügt sie hinzu.
Hierzu berichtet Pfarrer Christian Marsch, dass er bei seinem Herzinfarkt vor fast 20 Jahren schon erschüttert war. "Viele berichten, dass schwer kranke Menschen oft intensiv beten anfangen, so wie Renate Angerer gesagt hatte, dass Not beten lehre. Bei mir war das anders, ich hatte schon gehadert", so der Pfarrer. Andererseits habe er gelernt, dass ein Pfarrer, der selber krank ist, bei vielen Menschen als Seelsorger ernster genommen wird, weil er "einer von uns ist. Das war mir zwar manchmal anstrengend, hat mir aber zugleich Mut gemacht", so der Pfarrer.
Quasi parallel zum Glaubensgespräch in Simmering unterzeichneten Kardinal Christoph Schönborn, Oberrabbiner Jaron Engelmayer und der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Ümit Vural, eine gemeinsame Erklärung zur Zusammenarbeit der Religionsgemeinschaften für den Frieden und ein gutes Miteinander in der Gesellschaft. Man verurteile entschieden jeglichen Missbrauch von Religion zur Anstiftung oder Rechtfertigung von Terror und Gewalt und trete gegen jede Form von Diskriminierung und Bedrohung religiösen Lebens auf. Jede und jeder sei gefordert, sich für ein friedliches und respektvolles Miteinander in Wien einzusetzen, heißt es in der "Wiener Erklärung", die die drei Religionsvertreter am Donnerstag, 9. Jänner 2025, im Wiener Erzbischöflichen Palais unterzeichneten.
"In Wien gibt es eine gute, tragfähige und konstruktive Zusammenarbeit der Religionsgemeinschaften. Sie ist auch Frucht eines langjährigen Dialogs in unserer Stadt. Aus dieser Erfahrung und aus unserer gemeinsamen Verantwortung setzen wir uns für den Frieden ein - in der Überzeugung, dass der Glaube eine kraftvolle Basis für ein friedliches Zusammenleben sein kann.
Entschieden verurteilen wir jeglichen Missbrauch von Religion zur Anstiftung oder Rechtfertigung von Terror und Gewalt. Zugleich treten wir gegen jede Form von Diskriminierung und Bedrohung religiösen Lebens auf. Wir verpflichten uns, das gegenseitige Verständnis und den Zusammenhalt in unseren Religionsgemeinschaften mit aller Kraft zu stärken.
Wir appellieren an unsere Gemeinden und an alle Menschen, die in Wien leben, sich unermüdlich für den Erhalt des friedlichen und respektvollen Miteinanders in unserer Stadt einzusetzen."